Versicherer wollen in der Corona-Krise nicht bezahlen

Christoph Buck

Betriebsschließungsrecht

Zahlreiche Hotels und Gastronomen haben neben einer Betriebsausfallversicherung auch eine sog. Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen. Diese Versicherung soll bei einer Schließung des Betriebs wegen Seuchengefahr den Ertragsausfall für einen bestimmten Zeitraum abfangen und so die Existenz des Betriebes sichern. Nach der coronabedingten Schließung von Hotels und Gaststätten sind die meisten Betriebsinhaber allerdings in ihrer Erwartung, nun Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung zu erhalten, enttäuscht worden. Die Versicherungswirtschaft stellt sich geschlossen auf den Standpunkt, die Betriebsschließungsversicherung gelte nicht in der Corona-Krise. Der durch Rechtsverordnung angeordnete Shutdown sei vielmehr nicht versichert. Vom Versicherungsschutz umfasst sei nur eine Schließung, die wegen einer im Betrieb konkret vorhandenen Infektionsgefahr durch Einzelverfügung angeordnet sei. Bei dem Corona-Shutdown handle es sich jedoch um eine Präventivmaßnahme, die durch
Allgemeinverfügung angeordnet wurde. Darüber hinaus bestehe auch kein Versicherungsschutz, weil es sich bei dem SARS-COV 2 Virus um ein neuartiges Virus handle, das zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages weder im Infektionsschutzgesetz noch in den Versicherungsbedingungen erwähnt werde.

Um die gravierenden Folgen des Shutdowns abzufedern, bieten zahlreiche Versicherungen ihren Kunden nun Abfindungsvergleiche an, wonach 10-15 % der vereinbarten Leistungen kulanzweise bezahlt werden sollen. Handelt es sich dabei aber wirklich um ein großzügiges Kulanzangebot der Versicherer oder geht es nur darum, sich aus der vertraglichen Pflicht des Versicherungsvertrages zu stehlen?

Wir empfehlen in jedem Fall eine rechtliche Überprüfung Ihres Vertrages. Die Bedingungswerke der einzelnen Versicherer unterscheiden sich nämlich in wesentlichen Details. In Versicherungsrechtskreisen besteht inzwischen im Wesentlichen Einigkeit darüber, dass zahlreiche auf dem Markt befindliche Policen, die Pandemiegefahr, verursacht durch das SARS-COV 2 Virus, nicht mit hinreichender Deutlichkeit ausschließen. Den Versicherungsnehmern dieser Policen steht nach ganz überwiegender Meinung der volle Leistungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag zu.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es nämlich bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen nicht auf die Sicht der Versicherungsgesellschaft an, sondern darauf, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne besondere juristische Fachkenntnisse die Versicherungsbedingungen bei verständiger Würdigung und aufmerksamer Durchsicht verstehen muss (BGH VersR 2007, 388; VersR 2003, 454; VersR 2000, 709). Neben dem Wortlaut der Klausel sind auch der Sinnzusammenhang sowie der mit der Klausel erkennbar verfolgte Zweck maßgebend (BGH NJW-RR 1996, 537; VersR 91, 417).

Eine entsprechende Auslegung der Versicherungsbedingungen wird zunächst den Einwand der Versicherungen entkräften, der coronabedingte Shutdown stelle kein versichertes Risiko dar. Aus den hierzulande üblicherweise verwendeten Bedingungswerken, geht nicht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass nur dann Versicherungsschutz besteht, wenn von dem versicherten Betrieb eine Seuchengefahr ausgeht, sprich, sich das Infektionsrisiko bereits verwirklicht hat. Ebenso wenig geht aus den Bedingungswerken mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass die Schließung auf einer behördlichen Anordnung im Einzelfall beruhen muss. Diese Unklarheiten gehen gem. § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Versicherers und führen dazu, dass die Pandemiegefahr über den Großteil der am Markt befindlichen Verträge versichert sein wird.

Schwieriger zu beurteilen ist die Frage, ob die vom SARS-COV 2 Virus ausgehende Infektionsgefahr über den konkreten Vertrag versichert ist. In der Regel soll der Versicherungsschutz nach dem Bedingungswortlaut auf im Einzelnen namentlich erwähnte Krankheiten und Krankheitserreger begrenzt sein. In der weit überwiegenden Zahl der Verträge wird das Corona-Virus nicht erwähnt. An die Auslegung von Risikobegrenzungen/Ausschlüssen ist jedoch ein strenger Maßstab anzulegen (BGH VersR 2007, 388; NJW 2003, 3705; NJW-RR 2003, 672). Bei der entsprechenden Klauselauslegung ist von Bedeutung, dass § 1 CoronaVMeldeV vom 30.01.2020 die nach §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 7 Abs. 1 IfSG (Infektionsschutzgesetz) namentlich zu meldenden Erkrankungen und Krankheitserreger auch auf das Coronavirus ausgedehnt hat. Obwohl sich der Versicherungsschutz nach dem Wortlaut der entsprechenden Vertragsklauseln auf das Infektionsschutzgesetz in einer bestimmten Fassung bezieht und das Coronavirus in der Liste der Krankheitserreger nicht ausdrücklich erwähnt wird, wird in den entsprechenden Vertragsklauseln, insbesondere in den Ausschlussklauseln – nicht hinreichend bestimmt, dass der Versicherer auch tatsächlich nur für die im Vertrag wörtlich erwähnten Krankheiten und Krankheitserreger Versicherungsschutz gewähren will. Die Auslegung des Bedingungswerks führt nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, § 242 BGB, dazu, dass der Versicherungsnehmer von einem dynamischen Versicherungsschutz ausgehen kann, der auch neuartige Krankheiten und Krankheitserreger mit einschließt.

Entsprechendes gilt für solche Klauseln, die pauschal auf die Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes verweisen, ohne dass einzelne Krankheiten und Krankheitserreger namentlich erwähnt werden. In all diesen Verträgen ist die coronabedingte Betriebsschließung mitversichert.

Die mit der Auslegung der Bedingungen von Betriebsschließungsversicherung verbundenen Rechtsfragen, sind bislang durch entsprechende Rechtsentscheide noch nicht geklärt. Das Landgericht Mannheim hat aber bereits mit Urteil vom 29.04.2020, Az. 11 O 66/20 die Position des dortigen Versicherungsnehmers bestätigt. Auch in Frankreich hat ein Pariser Gericht der Klage eines Hoteliers gegen die AXA Versicherung stattgegeben. Die AXA Versicherung hat daraufhin angekündigt, auf ihre Versicherungsnehmer zugehen zu wollen.

Die Versicherungswirtschaft befürchtet eine Klagewelle, die offenbar mit den angebotenen Abfindungsvergleichen abgewendet werden soll. Lassen Sie sich fachlich beraten, bevor Sie sich entscheiden, einen angebotenen Vergleich anzunehmen.

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Sollten wir zu dem Ergebnis kommen, dass Sie aus Ihrer Versicherung keine Leistungen erwarten können, kommt noch ein anderer Aspekt in Betracht: Die Prüfung von Schadenersatzansprüchen gegen den Versicherungsvermittler. Insbesondere für die Haftung des Versicherungsmaklers gelten strenge Maßstäbe. Der Makler ist nämlich verpflichtet, seinen Kunden den bestmöglichen Versicherungsschutz zu besorgen. Kann nachgewiesen werden, dass Sie besser versichert werden konnten, haftet der Vermittler.

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