Ordentliche Kündigung nach erfolglosen Abmahnungen

Christian Lichy

Arbeitsrecht

Weitere allgemeine Hinweise zum Thema Abmahnung

Das Landesarbeitsgericht Köln hatte sich in einem Urteil mit dem Verhalten eines Lkw-Fahrers einer Gefahrgutspedition zu befassen, der im Laufe eines Jahres eine ganze Reihe von schweren Verstößen gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, begangen hatte. Das LAG Köln bestätigte das vorausgegangene Urteil des Arbeitsgerichts Köln, welches die Rechtmäßigkeit der ordentlichen Kündigung festgestellt hatte. Das Urteil bietet Gelegenheit, auf einige allgemeine Grundsätze zum Thema Abmahnung hinzuweisen:

Die Gefahrgutspedition hatte, was sicherlich sehr empfehlenswert ist, für ihre Tankwagenfahrer schriftliche Verhaltensregeln erstellt, die der Fahrer unterschrieben hatte. Dort war beispielsweise an erster Stelle aufgeführt, dass der Fahrer vor Fahrtantritt stets den ordnungsgemäßen Zustand des Fahrzeuges und die dazugehörige Ausrüstung (Reifen, Bremse, Warnlampen usw.) zu kontrollieren hat. Grundlage der Arbeitstätigkeit war ferner ein Fahrerhandbuch, in welchem grundlegende Verhaltensanforderungen beschrieben und in konkreten Anweisungen zusammengefasst waren. U.a. hieß es dort, dass stets die Vollständigkeit und Richtigkeit der übergebenen Transportdokumente zu überprüfen ist, und dass die vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten sowie die vorgeschriebenen Geschwindigkeiten zu beachten sind. Außerdem hieß es zur Entladung beispielsweise, dass nach der Entladung zu kontrollieren ist, ob der Tank völlig leer ist.

Im März wurde der Fahrer mündlich ermahnt, weil sich nach einem Entladevorgang noch 110 Liter Flüssigkeit im Tank befanden, die gesondert entsorgt werden mussten. Im Mai missachtete er mit dem Lkw eine rote Ampel und Anfang Juni war wiederum der Tank nicht ordnungsgemäß entleert. Daraufhin wurde er wegen dieser beiden Vorfälle mündlich abgemahnt. Im Dezember war der Kläger mit den falschen Fahrzeugpapieren unterwegs und erhielt deswegen ebenfalls eine schriftliche Abmahnung. Bereits im Oktober war der Fahrer in einer 30er Zone mit 58 km unterwegs, was nach einem Ordnungswidrigkeitenverfahren, welches im Mai des Folgejahres abgeschlossen war, mit einem 4-wöchigen Fahrverbot bestraft wurde. Nach Abschluss des Verfahrens sprach die Spedition deswegen eine weitere Abmahnung aus.

Der – erstaunlich stabile – Geduldsfaden riss dem Arbeitgeber dann aber eine Woche später, als er feststellen musste, dass an dem LKW des Fahrers zwei Reifen derart schwere Beschädigungen und Abnutzungen aufwies, dass sie bei einer Polizeikontrolle zu einer sofortigen Stilllegung des Fahrzeuges geführt hätten. Der Fahrer hatte seine Pflicht zur Überprüfung des Fahrzeuges und seiner Verkehrssicherheit vor Antritt der Fahrt nicht erfüllt und sich und andere Verkehrsteilnehmer gefährdet.

Der vor der Kündigung angehörte Betriebsrat erklärte nicht nur ausdrücklich seine Zustimmung, sondern war sogar ausdrücklich der Meinung – wie das LAG Köln nebenbei bemerkte, nicht ganz zu Unrecht –, dass schon angesichts der massiven Geschwindigkeitsübertretung in der 30er Zone mit dem anschließend ausgesprochenen Fahrverbot eine fristlose Kündigung fällig gewesen wäre, und dass das Entgegenkommen des Arbeitgebers nun aber sein Ende haben müsse, wenn der Fahrer mit derart abgefahrenen und beschädigten Reifen fahre.

Auch wenn man weiß, dass die Arbeitsgerichte hohe Hürden für eine verhaltensbedingte Kündigung aufstellen, so erstaunt es nicht, dass in diesem Fall bei diesen massiven Verstößen, die Kündigung für begründet gehalten wurde.

Auf einige interessante Punkte, die das LAG Köln in dieser Entscheidung erwähnt, möchten wir hinweisen:

Grundsätzlich gilt: Verletzt ein Berufskraftfahrer seine Pflicht zur täglichen Überprüfung des verkehrssicheren Zustandes der Reifen, so kann dies je nach den Umständen eine ordentliche oder sogar eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Im vorliegenden Fall folgte diese Pflicht bereits aus den ausdrücklich gegebenen Verhaltensmaßregeln und Richtlinien. Das Gericht brauchte sich deshalb nicht dazu zu äußern, ob diese Pflicht auch sonst gilt. Dies wird man jedenfalls für ganz grundlegende und selbstverständliche Anforderungen annehmen können, wie beispielsweise die Einhaltung der Lenkzeiten und Geschwindigkeitsbeschränkungen.

Der Fahrer wandte gegen die Kündigung u.a. ein, dass die vorausgegangenen Abmahnungen andere Themen betroffen hätten und deshalb nicht „einschlägig“ seien. Keiner der zuvor gerügten Verstöße habe etwas mit der Betriebssicherheit zu tun, auf die jetzt die Kündigung gestützt werde.

Dieses Argument lehnte das Gericht zu recht ab. Richtig ist zwar, dass eine Abmahnung nur dann im Hinblick auf eine später ausgesprochene Kündigung verwertet werden kann, wenn sie ein gleichartiges Fehlverhalten betrifft. Ein solches ist anzunehmen, wenn die Pflichtverletzungen in einem inneren Bezug zu der negativen Zukunftseinschätzung stehen, die der Kündigung zugrunde liegt. Dies war hier der Fall. Denn die dem Kläger vorgehaltenen Verstöße betrafen durchweg sein Verhalten im Hinblick auf die Einhaltung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (Rotlichtverstoß, falsche Fahrzeugpapiere, Geschwindigkeitsüberschreitung, unterlassene Reifenkontrolle mit der Folge des Fahrens von Reifen in nicht verkehrssicherem Zustand). Der Fahrer hatte sich die vorangegangenen Abmahnungen nicht zur Warnung dienen lassen. Das Gericht deutet an, dass die Spedition bereits aufgrund des vorangegangenen Vorfalls (massive Geschwindigkeitsüberschreitung mit anschließendem Fahrverbot) eine Kündigung hätte ausgesprochen werden können, denn bereits damit konnte eine negative Prognose gestellt werden, dass der Arbeitnehmer auch zukünftig seine Pflichten nicht beachten wird. Erst recht bestand diese negative Prognose nach der anschließenden unterlassenen Reifenkontrolle.

Der Fahrer argumentierte, die Abmahnung hinsichtlich der Geschwindigkeitsüberschreitung könne nicht verwertet werden, weil diese erst sieben Monat nach Kenntnis der Firma erfolgt sei. Das LAG Köln sprach aus, dass die Spedition – gerade auch zu Gunsten des Fahrers – mit einer Sanktion abwarten durfte, bis das Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren abgeschlossen war und die Ordnungswidrigkeit und die daraus folgende Strafe, nämlich das Fahrverbot rechtskräftig feststand.

Hinweis: Es gibt keine gesetzliche Frist für den Ausspruch einer Abmahnung.

Es gilt vielmehr, der Grundsatz, dass die Abmahnung um so „schwächer“ wird, je später sie ausgesprochen wird. Denn je länger der Arbeitgeber sich Zeit lässt, desto mehr spricht dafür, dass er dem Verstoß nicht so gravierende Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis zumisst. Daraus folgt auch, dass ein längeres Zuwarten unschädlich ist, wenn es dafür objektive Gründe gibt.

Hinweis: Bereits eine Abmahnung kann die Kündigung rechtfertigen.

Trotz der Eindeutigkeit des vorliegenden Falles muss bei der gerichtlichen Prüfung immer noch abschließend eine Abwägung durch das Gericht vorgenommen werden, ob das Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt des Arbeitsplatzes vielleicht doch aufgrund bestimmter Umstände des Einzelfalls wichtiger ist als das Interesse des Arbeitgebers. Dabei ist immer auch auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses abzustellen. Wenn dieses 20 oder gar 30 Jahre bestanden hatte und sehr lange beanstandungsfrei war, können auch zwei oder drei schwere Pflichtverstöße in der letzten Zeit möglicherweise noch nicht für eine Kündigung ausreichen. Im vorliegenden Fall, in welchem vier abgemahnte gleichartige und zum Teil massive Verstöße vorlagen, bevor der fünfte schwere Verstoß zur Kündigung führte, hätte dem Fahrer auch eine langjährige Betriebszugehörigkeit nichts geholfen. Im vorliegenden Fall waren es ohnehin lediglich vier Jahre. Außerdem betont das Gericht das betriebliche Interesse gerade einer Gefahrgutspedition, auf eine penible Einhaltung der Verkehrsvorschriften hinzuwirken, sowohl um negative behördliche Maßnahmen als auch Berufsschädigungen und Kundenverluste zu vermeiden.

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